Von meinen Hunden: Abschied und Trost
Mein Vorgänger
Ich bin Dingo, ein weiß-brauner Cocker-Spaniel aus Holland.
Leider wurde ich nur 11 Jahre alt. Ich hatte ein Krebsgeschwür, das auf die Speiseröhre drückte, konnte nicht mehr fressen, habe nur noch erbrochen und die Ärzte sagten, dass ich, wenn das Geschwür weiter wächst, mit ziemlicher Sicherheit langsam ersticken würde, weil dieses blöde Geschwür dann auch auf die Luftröhre übergehen würde.
Als wir in der Tierklinik waren, fühlte ich mich eigentlich noch topfit! War froh, dass ich diese blöden Untersuchungen endlich hinter mir hatte und wieder bei "meinen Leuten" war. Doch dann kam der Schock. Ich habe gespürt, dass etwas nicht stimmt. Der Arzt hat lange mit meinem Frauchen und Herrchen geredet. Viel zu lange! Dann hat mein Frauchen nur noch geweint und den Arzt gefragt, ob sie denn dabei bleiben könnte. Ich spürte instinktiv, dass mein letztes Stündchen geschlagen hat. Sie wollte nicht, dass ich elendig verrecke. Wollte mir Schmerzen und Leid ersparen. Trotzdem fiel es uns beiden unheimlich schwer.
Frauchen saß auf der Bank in dem Zimmer, ich lag neben ihr, den Kopf auf ihrem Schoß. Sie hat mich ganz fest in ihren Arm genommen. Dann bekam ich eine Spritze. Ich merkte, dass ich müde wurde. Mein Frauchen hat geweint, mich an sich gedrückt, und ich weiß noch, dass sie sagte: "Tschüs, mein Süßer!"
Dann bekam ich noch eine Spritze und bin selig und in Frieden in ihren Armen eingeschlafen. Es hat nur zehn Minuten gedauert. Und der Arzt hat gesagt, wenn man die Tiere in der Situation alleine lässt, "krampfen" sie. Aber ich war nicht alleine. Es gehört zwar eine große Portion Mut dazu. Aber was kann es Schöneres geben? Frauchen hat mir mein Lieblingsspielzeug in die Arme gelegt und dann war ich im Hundehimmel.
So seltsam es sich anhört, mein Frauchen hat die ganze Zeit nur noch geweint, und mein Herrchen ist einfach mit ihr sofort zum Tierheim gefahren. Weil er das nicht ertragen konnte.
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Dann kam ich, Lucy, ins Leben meiner neuen Familie. Mein Frauchen wollte zwar nie eine Hündin haben, weil sie immer nur Rüden hatte, aber als sie mich dann sah, hat sie sich sofort in mich verliebt.
Ein Problem habe ich: Ich beiße mich immer wieder mal an meiner Lieblingsstelle am Rücken. Deshalb war ich schon oft bei einer Tierärztin. Was die schon alles mit mir angestellt hat! Sie meint, ich habe eine Allergie. Wir haben alles Mögliche mit Futterumstellungen versucht, aber gebracht hat es nichts. Tagsüber und abends, wenn ich unter Kontrolle bin, traue ich mich nicht, in meinen Rücken zu beißen. Da genügt schon ein scharfer Blick, wenn ein schmatzendes Geräusch zu hören ist, das darauf schließen lässt, dass ich versuche, an mir zu knabbern. Ich habe es dann nur noch nachts versucht. Meine neue Familie hat die Theorie, dass ich vielleicht Alpträume haben könnte und wenn ich dann wach werde, mich vor Frust darüber beiße oder vielleicht auch selbst bestrafen will. Aber ich habe doch nichts getan. Wenn überhaupt, hat mir jemand etwas angetan, was ich nicht verarbeiten kann. Mein vorheriger Besitzer sitzt z. Zt. im Knast, hat mich geschlagen, erniedrigt, gedemütigt. Ich denke, das kann ich alles nicht so einfach wegstecken.
Sie haben aber inzwischen eine prima Lösung gefunden. Naja, zuerst fand ich das nicht so toll. Nachts bekomme ich jedesmal konsequent meine "Tröte" um, d.h. so ein weißes Ding um den Hals. Aber inzwischen habe ich mich so daran gewöhnt, dass es für mich selbstverständlich ist und ich sogar ganz von selbst, wenn "Schlafenszeit" ist, ankomme und mir dieses Ding um den Hals legen lasse. Seitdem ist nichts mehr passiert. Und ich habe heute ein supertolles glänzendes und gesundes Fell. Darauf sind meine neuen Leute auch ganz stolz. Und ich sehe ja überhaupt toll aus.
Ich habe zwei Schlafplätze: einen im Wohnzimmer, wenn meine Familie noch fernsehen möchte, und einen unten am Bett bei Herrchen. Ins Bett darf ich nicht. Da gibt es nur eine Ausnahme: Morgens, wenn mein Herrchen sich ausgehfertig macht, schickt er mich ins Schlafzimmer zurück, um mein Frauchen zu wecken. Die hat nämlich Probleme, morgens wach zu werden, jedenfalls bevor ich da war. Da hat mein Herrchen sie immer laut gerufen und das mochte sie überhaupt nicht. Ich schleiche mich langsam heran und wenn ich ihr Gesicht vor der Nase habe, fahre ich mit meiner feuchten Zunge einmal voll darüber. Dann ist sie hellwach, aber nicht ärgerlich, sondern freut sich und begrüßt mich ganz lieb.
Tagsüber fahre ich mit meinem Herrchen fast den ganzen Tag Auto. Am Anfang hat mir das nicht so viel Spaß gemacht. Ich habe gespuckt. Dann haben wir das geübt. Mit "Briefkastenfahrten" einmal um den Block, dann mal etwas länger mit einem tollen "Reiseziel", z.B. an der Ruhr, wo ich auf einer Riesenwiese toben konnte und da war tolles Wasser. Ich schwimme für mein Leben gern. Am liebsten, wenn Tennisbälle ins Wasser fliegen und ich sie holen soll. Oder Stöckchen. Dann haben wir längere Touren unternommen und irgendwann fand ich es herrlich. Heute kann ich es gar nicht mehr abwarten und freue mich riesig, wenn es zum Auto geht. Mein Herrchen ist Kurierfahrer und hält an den schönsten Stellen an, wo ich mich austoben kann. Immer wieder neue Wälder, Baggerseen oder große Wiesen. Und überall riecht es anders.
Abends genieße ich dann die Zeit hauptsächlich mit meinem Frauchen. Während Herrchen sich bei einem kühlen Bier von dem Tagesstress erholt, toben, schmusen und spielen wir und gehen auch nochmal gründlich spazieren. Ich habe ein paar tolle Freunde zum Spielen gefunden. Wenn wir die im Park oder am Hafen treffen, das macht richtig Laune.
Wahnsinnig gern jage ich Kaninchen. Das ist so eine Sache. Bei Herrchen darf ich das. Frauchen pfeift mich zurück. Sie weiß zwar, dass ich sie sowieso nicht kriege, aber im Augenblick ist der kleine hoppelnde "Nachwuchs" überall, und da hat sie schon Angst, dass ich mal eins davon erwischen könnte. Ich höre mitten im Sturmlauf zwar aufs Wort, bin dann aber doch etwas "sauer". Dann muss sie schon mächtig lange mit mir Ballspielen, oder am liebsten noch zu einem Wasser oder Brunnen gehen, wo ich reinhüpfen kann.
Im Augenblick habe ich mal wieder meine Hitze. Es nervt mich total, wenn die "sabbernden Jungs" dann an mir rumschnüffeln wollen. Meistens haue ich ganz schnell ab. Und mich kriegt keiner, wenn ich das nicht will. Dazu bin ich zu schnell. Ich kann unheimlich gute Haken schlagen. Nur bei einem muss abends mein Frauchen gut aufpassen. Den mag ich nämlich besonders gern. Es ist ein ziemlich großer, bildhübscher Husky-Kerl. Mit ganz tollen blauen Augen. Den lass ich schon mal etwas näher heran. Wir toben eine Weile, aber wenn wir zu lange an uns herumschnüffeln, ruft Frauchen mich schnell zu sich und wir gehen weiter. Natürlich gehorche ich sofort.
Mein Lieblingsspielzeug ist übrigens nichts von dem, was meine neue Familie mir gekauft hat. Frauchen nimmt immer alte ausrangierte Strümpfe. Und in einen stopft sie dann ein paar hinein, verknotet die Enden, und ich ziehe und zerre so lange daran, bis ich die ganze Beute heraus bekommen habe. Jeden Abend macht sie mir einen neuen "Ziehstrumpf". Ich liebe das.
Mein Geburtsdatum ist übrigens inzwischen amtlich fest gelegt: 17.01.1995. Da die Tierärztin mich unter vier Jahre eingeschätzt hat, und das der Tag ist, an dem meine neue Familie mich im Tierheim abgeholt hat. Und dieser Geburtstag wird jedes Jahr mit einer kleinen Überraschung gefeiert.
Veröffentlicht im Hundejournal Heft 109/1. Jahrgang 1999